Das Biopic über das letzte Interview einer Legende
Die Filmbiografie, die neuerdings gerne auch als „Biopic“ bezeichnet wird, stellt die Kreuzung zweier Genres dar, weil dabei ein historisches, offiziell verbürgtes Ereignis im Leben eines berühmten Menschen in fiktionalisierter Form wiedergegeben wird – oder eben gleich dessen gesamtes Leben. Anders gesagt: Spielfilm trifft auf Doku. Das Verdienst solcher Filme besteht zumeist darin, einer vielleicht allgemein bekannten Begebenheit neue, interessante Seiten abzugewinnen. Zu den wahrscheinlich bekanntesten Biopics zählen die Filme Lawrence of Arabia, Gandhi, Amadeus, The Aviator, Walk the Line, Frida, A Beautiful Mind und My Week With Marilyn.
Die Regisseurin Emily Atef macht sich diesen spannenden Genre-Mix zunutze, um von einer Filmlegende zu erzählen. Atefs Biopic 3 Tage in Quiberon (2018) handelt von dem letzten Lebensabschnitt Romy Schneiders; im Zentrum der Handlung steht ein Interview, das die Schauspielerin dem „Stern“-Reporter Michael Jürgs gibt: Es sollte Schneiders letztes Interview werden.
Das Wichtigste im Überblick
- Deutscher Titel (Originaltitel): 3 Tage in Quiberon
- Produktionsland: Deutschland, Österreich, Frankreich
- Originalsprache: Deutsch, Französisch
- Erscheinungsjahr: 2018
- Länge Kinofassung: 115 Minuten
- Regie: Emily Atef
- Musik: Christoph M. Kaiser, Julian Maas
Besetzung:
- Marie Bäumer: Romy Schneider
- Birgit Minichmayr: Hilde Fritsch
- Charlie Hübner: Robert Lebeck
- Robert Gwisdek: Michael Jürgs
- Denis Lavant: Mann in Kneipe
- Yann Grouhel: Rezeptionist
- Christopher Buchholz: Dr. Frelin
- Vicky Krieps: Zimmermädchen
- Vincent Furic: Dr. Moriette
- Loïc Baylacq: Lokalbesitzer
Ein Biopic ohne Absolutheitsanspruch
Romy Schneider war ein Mensch, der alles gab: Sowohl im Beruflichen als auch Privaten folgte sie dieser Maxime, wobei sie nach eigenem Bekunden davon überzeugt war, nur als Schauspielerin den Absolutheitsanspruch verwirklichen zu können: „Ich kann nichts im Leben, aber alles auf der Leinwand.“ Und die Schauspiel-Autodidaktin Romy Schneider gab alles auf der Leinwand. Leider wurden diese schauspielerischen Leistungen von diversen Schicksalsschlägen wie dem Unfalltod von Schneiders Sohn David überschattet. Die Folge: Die „Sissi“- Schauspielerin verfällt der Tabletten- und Alkoholsucht.
Wie lässt sich ein derart bewegtes Leben mithilfe filmischer Mittel erzählen? Wahrscheinlich nicht ohne erhebliche Kürzungen, die auf Kosten der dramaturgischen Stringenz gehen und somit auch das biografische Porträt unnötig verzerren würden. Emily Atef ist, wie sie selbst zugibt, kein Fan von solchen megalomanen Filmprojekten und hat daher eine bestimmte Episode aus Romy Schneiders Leben gewählt, um wie unter einem Brennglas die großen Themen im Leben der deutsch-französischen Schauspielerin so zu verdichten, dass auch ein knapp zweistündiger Film den Zuschauern eine Ahnung davon vermittelt, was Schneider durchleben musste. Die Entscheidung, diesen Film in Schwarz-Weiß zu drehen, bewirkt ein spannendes Distanzierungsmoment, das auch ein wenig historisiert. Viele Entscheidungen, die sich in der Summe als äußerst klug erwiesen haben und anlässlich des Deutschen Filmpreises 2018 gleich siebenfach ausgezeichnet wurden, darunter in den Kategorien „Bester Film“, „Regie“ und „Hauptdarstellerin“.
Darum geht es in 3 Tage in Quiberon
Wir schreiben das Jahr 1981: Der Aufenthalt in einem bretonischen Kurhotel am Wasser soll die bekannte Schauspielerin Romy Schneider (gespielt von der verblüffend ähnlich aussehenden Marie Bäumer) wieder auf die Beine und für das nächste Filmprojekt in Form zu bringen, Die Spaziergängerin von Sans-Souci. Schneider ist mittlerweile Anfang 40 und hat seit dem Mitwirken in den „Sissi“-Filmen, anders als viele andere Jungstars, den Übergang zu den ernst zu nehmenden Charakterrollen geschafft; alle namhaften Regisseure attestieren dieser Schauspielerin ein Talent, wie es vielleicht nur alle paar Hundert Jahre vorkommt. Davon ist nun wenig im Leben der von Alkohol und Depressionen zerrütteten Schneider zu spüren.
Zunächst erhält Schneider Besuch von einer guten Freundin aus Wien, Hilde Fritsch. Diese Filmfigur wurde einer wahren Freundin Schneiders nachempfunden, ist jedoch in dieser Darstellung als erdacht zu betrachten. Obgleich Schneiders Verhältnis zu Reportern nicht das Allerbeste sein mag, hat die Schauspielerin dennoch einem Interview mit der deutschen Zeitschrift „Stern“ zugestimmt. Das Interview-Team besteht aus Reporter Michael Jürgs und dem Fotografen Robert Lebeck, den Schneider bereits kennt und dem sie freundschaftlich verbunden ist.
Die „Kur“ ist in Wirklichkeit ein Entzug, den Schneider nicht durchziehen kann: Dafür braucht sie die Tabletten und den Alkohol zu sehr. Ebenso problematisch sind die Szenen, die sich in den folgenden Tagen in Quiberon zwischen Schneider, Fritsch und den Journalisten abspielen werden.
Der Mensch hinter dem Star
Es scheint, als hätte der Reporter Jürgs sich in Schneider verliebt, dabei erliegt er wahrscheinlich der Ausstrahlung, mit der die Mimin seit jeher alle Menschen zu verzaubern weiß. Und ist Hilde vielleicht nur eine eifersüchtige Freundin, die versucht, sich über die Verbindung zu Romy selbst ein wenig zu erhöhen? Dieser Film enthält unbequeme Fragen. Genauso unbequem sind die Szenen, die von Romys Wankelmütigkeit zeugen: Sie weint, lacht, betrinkt und beschuldigt sich; klagt sich selbst an und steht zu sich selbst.
3 Tage in Quiberon endet damit, dass Schneider die Fragen von Jürgs zulässt und sich in schonungsloser Offenheit zu dem bekennt, was nicht planmäßig in ihrem Leben verlaufen ist. Am Strand bricht sie sich den Knöchel und gewinnt dadurch mehr Freizeit, die sie mit ihrer kleinen Tochter Sarah verbringt. Die im Zuge des letzten Interviews entstandenen Fotografien zeigen eine vom Leben gezeichnete, stolze und anmutige Frau.